Verweigerung statt Vernunft – was lehrt uns die Adhärenz-Forschung über die Einhaltung der Corona-Regeln?

Was ist überhaupt Adhärenz?

Adhärenz (engl. »adherence«) beschreibt in der Medizin die Therapietreue, also die Einhaltung der von Patient und Arzt gemeinsam verabredeten Therapieziele. Viele Patienten, vor allem chronisch Kranke, sind jedoch laut WHO nicht adhärent – was gravierende Folgen für ihre Gesundheit hat. Auch bei der Corona-Pandemie spielt die Adhärenz in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle. Grund genug, sich mit dem Konzept der Adhärenz aus aktuellem Anlass näher zu beschäftigen.

Fehlende Adhärenz hat viele Gründe

Therapievorschriften sollten eingehalten werden, wenn man gesund werden oder nicht noch schlimmer erkranken möchte. Sei es die regelmäßige Einnahme von Tabletten, die Einhaltung bestimmter Diätvorschriften oder auch die wiederholte Behandlung in einer Klinik, z.B. im Rahmen einer Chemotherapie.
Um die Adhärenz zu steigern, ist es erst einmal wichtig, die Gründe für Non-Adhärenz herauszufinden. Patientenbezogene Faktoren scheinen dabei eine besonders große Rolle zu spielen. Diese können von Patient zu Patient sehr verschieden sein und unterscheiden sich natürlich auch zwischen Indikationen und Behandlungsansätzen. Mögliche patientenbezogene Faktoren für Non-Adhärenz sind:

1. Die Therapie ist unangenehm / mit viel Aufwand verbunden
2. Der Patient muss von seinen alten Gewohnheiten abweichen
3. Der Patient fürchtet die Nebenwirkungen der Therapie
4. Der Patient versteht seine Erkrankung und den Sinn der Therapie nicht

Die Kraft einer guten und patientengerechten Kommunikation liegt darin, alle vier Punkte wirkungsvoll zu beeinflussen.

Patientengerechte Kommunikation als Schlüssel zu mehr Adhärenz

Der heutige Patient ist selbstbestimmt und folgt oftmals nicht den Therapieempfehlungen seines Arztes, gerade wenn es sich um für ihn einschneidende Veränderungen handelt. Außerdem möchte er seine Behandlung verstehen. Werden nicht genügend oder nur unverständliche Informationen zur Verfügung gestellt, konsultiert der Patient »Dr. Google« um sein Informationsbedürfnis zu stillen. Leider finden sich im Internet hauptsächlich negative Erfahrungsberichte zu Therapien, Erfolgsgeschichten sind eher die Ausnahme. Leidensorgien und Horrorgeschichten verunsichern den Patienten und führen oft dazu, dass der Patient die Therapie abbricht oder gar nicht erst beginnt. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, den Patienten von Anfang an ausreichend und verständlich informieren. Dafür ist eine gute Patientenkommunikation unverzichtbar.

Was hat Therapietreue mit den Corona-Regeln zu tun?

Auch die Bürger von heute sind selbstbestimmt und stellen Vorschriften in Frage. Die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgestellten Regeln sind – genau wie medizinische Therapien – für viele Menschen nicht besonders attraktiv und teilweise nicht nachvollziehbar. Ihre Befolgung bedeutet, dass man von alten Gewohnheiten abweichen muss ohne dabei den direkten Vorteil für sich selbst zu sehen. Auch hier führen unklare, teils widersprüchliche sowie mangelnde Informationen zu einer verminderten Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten. So sagte zum Beispiel der Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, vor einigen Wochen im Interview mit dem Deutschlandfunk:

»Das ist mir alles wieder viel zu virologisch gedacht. Ich halte nichts von dieser Durchseuchungstheorie und die anderen Theorien überzeugen mich auch nicht restlos. Das ist auch nicht der Job eines Politikers, sich hier in diese Virologenstreitigkeiten hineinzubewegen …«

Aus seiner Sicht vielleicht verständlich, aber damit hat er sicher nicht zu einem größeren Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse innerhalb der Bevölkerung beigetragen.

Verwirrung um den Mund-Nasen-Schutz

Eine weiterer Kommunikationsunfall, der Verwirrung gestiftet hat: Noch zu Beginn der Pandemie hieß es in Deutschland, dass nicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geraten wird, da dieser nicht vor einer Ansteckung schütze. Dann vor einigen Wochen die Kehrtwende: Der Mund-Nasen-Schutz vermindere wohl doch das Risiko für eine Ansteckung mit dem SARS-CoV-2 und das Tragen einer solchen Maske sei sinnvoll. Kurz darauf: Die Einführung einer Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften in ganz Deutschland. Natürlich stößt eine solche kommunikative 180°-Wende bei vielen Bürgern auf Ablehnung und Unverständnis.

Gefahr durch falsche Informationen im Internet

Auch in Sachen Corona haben viele Menschen ein hohes Informationsbedürfnis, das nicht immer ausreichend durch offizielle Quellen gestillt wird. Also wird auch hier wieder das Internet befragt, das neben vielen glaubwürdigen Quellen leider auch sehr fragwürdige Informationen bietet, unter anderem Verschwörungstheorien: So sei das Virus nur aus kommerziellen Gründen für bereits entwickelte und patentierte Impfstoffe in Umlauf gebracht worden. Solche Informationen lassen Zweifler noch mehr zweifeln und steigern dabei natürlich nicht die Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten.

Reaktanz als Folge von Fehlkommunikation

Druck erzeugt Gegendruck. Dieses Phänomen bezeichnet man als Reaktanz, eine Abwehrreaktion auf psychischen Druck oder die Einschränkung von Freiheitsspielräumen. Um eine Verhaltensänderung zu erreichen, sind eher Geduld und freundliche Appelle an Empathie und Einsicht sowie verständliche Informationen gefragt. Ob mit Bluthochdruck beim Arzt oder mit Corona auf der Straße: Mit Verständnis, Empathie und nachvollziehbaren Argumenten wird Reaktanz vermieden und Adhärenz erreicht.

Christian Drosten zeigt, wie es richtig geht:

»Wir müssen jetzt die Fälle senken. Sonst schaffen wir es nicht.«

So eine Aussage des Berliner Virologen Christian Drosten zur Fallzahlentwicklung der COVID-19-Erkrankten. Klar und unmissverständlich. Das kann der Drosten. Bereits seit Beginn der Corona-Krise erklärt er alle wichtigen wissenschaftlichen Hintergründe zum neuartigen Coronavirus im NDR-Podcast »Das Coronavirus-Update« auf verständliche und ausführliche Art und Weise. Und die Resonanz zeigt, dass wir in Deutschland genau das wollen. Der Podcast ist momentan auf dem Treppchen in allen deutschen Podcast-Charts und auch in den Youtube-Trends vertreten. »Die Menschen wollen das lange Format, sie wollen alle Hintergründe und sie wollen auch hören wo die wissenschaftlichen Grenzen sind« sagt Korinna Hennig, Redakteurin von »Das Coronavirus-Update«.

Ein besseres Verständnis für mehr Adhärenz

Wüssten die Maskenverweigerer, dass auch sie schwer an COVID-19 erkranken und beatmungspflichtig werden können, würden sie sicherlich anders handeln. Wüssten die Maskenträger, die sich durch die Maske geschützt fühlen, dass es sich bei der Maske hauptsächlich um einen Fremdschutz handelt, würden sie sicherlich weiterhin die Abstandsregeln befolgen. Denn ein besseres Verständnis der Situation und ihrer Hintergründe führt bekanntermaßen zu einer höheren Adhärenz, zumindest hat sich das im medizinischen Bereich gezeigt.

Zur Adhärenzsteigerung im medizinischen Sinn hat co.patient verschiedene Instrumente und Konzepte entwickelt, die das Verständnis für Krankheiten und deren Therapien verbessern. Vom Adhärenzkalender über die innovative App »Therapiewaage« bis hin zu kompletten Patientenprogrammen. Dabei setzen wir auf Empathie, Verständnis und patientengerechte Informationen. So involvieren wir den Patienten in seine Therapie und motivieren ihn gleichzeitig, seine Therapieziele zu erreichen.

Fazit

Wer Adhärenz will, der muss dafür vor allem eines tun: klar und verständlich kommunizieren, bestenfalls unter Nutzung geeigneter Adhärenzinstrumente. Sonst ist Non-Adhärenz mit all ihren negativen Auswirkungen die Folge.

co.patient berät Sie gerne zum Thema Adhärenz.

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